2003 - Marokko - Aero Club Nürnberg

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Über Gibraltar nach Marokko

Als Reisezeit für unseren Marokko-Ausflug haben wir die letzte Aprildekade festgelegt. Da sollte es nördlich des Hohen Atlas brauchbares VFR-Wetter geben und südlich davon noch nicht allzu heiß sein. Nur muss man von Nürnberg erst einmal dorthin kommen. Wir sind ja schließlich VFR-Flieger.

Von Nürnberg geht's erst einmal nach Dole, zum ersten Tankstop. Das Wetter ist anfangs zwar nicht schlecht, aber die direkte Route nach Basel über den Schwarzwald geht wegen der Wolkenuntergrenzen um 2000 ft doch nicht. Also fliegen wir nördlich an Stuttgart vorbei nach Karlsruhe, das Rheintal nach Süden bis Basel und dann die Doubs entlang nach Südwesten über Besancon nach Dole.

Nach dem Tanken nehmen wir die Etappe nach Bilbao, unserem Tagesziel, unter die Flügel. Das Wetter ist schlechter geworden. Auf der Strecke nach Clermont-Ferrand müssen wir erst durch Regen- und später durch Schneeschauer. Da gehen die Sichten schon mal auf zwei km zurück. Im Zentralmassiv sind aufliegende Wolken und Schneeschauer. Im Lee der Westströmung finden wir aber einige Wolkenlöcher und so probieren wir über den Wolken weiterzukommen. Tatsächlich gelingt uns das dann in FL 85. Schon 90 Meilen südwestlich von Clermont-Ferrand reißt die geschlossene Wolkendecke auf und bald danach sinken wir auf 2500 ft, die bis Bilbao gehalten werden können.

Bilbao ist Etappenziel, weil wir uns das Guggenheim Museum ansehen wollen, das vom Stararchitekten Gehry entworfen wurde. Zum Museum sind es nur etwa 10 Gehminuten. Doch ein Königreich gäbe ich für einen Regenschirm. Ein kurzer Regenschauer jagt den nächsten. Das kann mit unserem Weiterflug heute ja noch lustig werden.

Die Wetterberatung am Flugplatz verheißt uns Gewitter über der Biscaya, Wolken von 2000 bis 10 000 ft mit Schauern über dem Küstengebirge - nach Westen zu mit immer schwächerer Ausprägung. Der Flugplan zum nächsten Etappenziel Jerez ist schnell gemacht. Nach dem Start fliegen wir entlang der Küste nach Westen, bis wir den Durchstich nach Süden schaffen. Etwa 70 Meilen landeinwärts ist dann der Himmel plötzlich wolkenlos. Westlich an Madrid vorbei mit Sichten bis zum Anschlag fliegen wir entspannt Jerez entgegen. Jetzt ist Gelegenheit, über die nächsten Schritte nachzudenken. Unser morgiges Ziel Gibraltar kann man von Spanien aus nicht direkt anfliegen. Also müssen wir vorher nach Marokko.

Jerez kann man getrost weiterempfehlen. Nicht nur weil es die Hauptstadt der Cherry-Region ist, auch das Restaurant, wo wir zu Abend essen, ist ein Volltreffer - übrigens ein Tipp unseres Hoteliers. Von Jerez führt unsere Route bei bestem Wetter, westlich an Gibraltar vorbei, direkt nach Tetuan. Der Funkkontakt zu Tetuan und die Landung dort verlaufen problemlos.

Am Flughafen Tetuan

Doch am Einreiseprozedere merkt man schon den anderen Kontinent. Jeder muss einen "fiche", eine Art von Meldezettel, ausfüllen. Dies wird uns an jedem Flugplatz und in jedem Hotel in Marokko wieder blühen. Hier geben wir gleich zwei Flugpläne auf. Einen nach Gibraltar und einen weiteren von dort nach Fes. Beim ersten kommt sofort die Frage nach der Permission-Nr. Die haben wir natürlich eingeholt.

Nachdem wir nach jeder Etappe Pilotenwechsel machen, ist Heiner für den Flug nach Gibraltar dran. Nachdem die Ausreiseformalitäten erledigt sind, starten wir zu einem Hüpfer von etwa 20 Minuten zurück nach Europa. Der Lotse in Gibraltar kürzt das Anflugverfahren ab. Er holt uns direkt in den Queranflug zur 27. Im Endteil dann die Windinfo, inzwischen aus 220 Grad mit 19 kt und der Hinweis auf die Turbulenzen im Anflugsektor wegen des Affenfelsen. Aber Heiner macht seine Sache bravourös, so dass der Lotse nach der Landung mit einem "well done" diese Leistung honoriert. Quer über die Landebahn verläuft die Straße von Spanien - La Linea nach Gibraltar. Sie wird bei Flugbewegungen natürlich gesperrt.

Zunächst erkunden wir Gibraltar zu Fuß. Man läuft ja nur 10 Minuten in die Altstadt. Dann leisten wir uns aber doch noch eine Taxirundfahrt über den Affenfelsen. Man wird durch herrliche Ausblicke belohnt und trifft natürlich auf die berühmten Affen von Gibraltar. Die sind so zahm, dass sie den Touristen aus der Hand fressen, und manchmal dabei leider auch zubeißen.

Abflug von Gibraltar

Gibraltar ist der teuerste Flugplatz auf dieser Reise. Trotzdem würden wir dieses Erlebnis nicht missen wollen. Die Ampeln für die Straße über die Startbahn gehen auf rot, und während wir zur 27 rollen, verlassen die letzten Fußgänger die Startbahn. Kurz nach dem Start drehen wir nach Süden, und erreichen über Tetuan wieder das marokkanische Festland.

VFR-Flüge über Marokko sind an spezielle VFR-Routen gebunden. Karten davon gibt es bei uns nicht. Man muss sich die Routen bei der jeweiligen AIS in die eigenen Karten übertragen. Für die Navigation nach diesem "Schnittmusterbogen" ist das GPS ein wahrer Segen. Bei super Wetter geht's via Ifrane nach Fes. Dort liegt kein Flugplan von uns vor. Als wir die Durchschrift mit dem Stempel der AIS in Tetuan vorlegen, werden wir mit guten Wünschen für unseren Aufenthalt in Marokko verabschiedet.

Fes ist die älteste der vier großen Königsstädte. Der Besuch der Souks am Spätnachmittag und Abend ist wirklich ein Erlebnis der besonderen Art. Dank Ali, unserem Führer, bedrängen uns die Händlern nicht allzu sehr. Am nächsten Vormittag gehen wir noch einmal in die Souks zu den Gerbern und Färbern, und sehen uns das malerische Tor zum Königspalast an. Soldaten von vier unterschiedlichen Waffengattungen in ihren pittoresken Uniformen sind als Wachen aufgezogen. Am Nachmittag fliegen wir weiter nach Marrakech. Funkkontakt gibt's nur beim Abflug von Fes und beim Anflug auf Marrakech. Wieder ist das Wetter super mit tollen Sichten. Das Land unter uns ist rotbraune Erde, aber wo immer etwas Wasser ist, gibt es reichlich Pflanzenwuchs.

In Marrakech ist deutlich mehr los als in Fes. Das merken wir schon bei der Suche nach einem Hotel. Letztendlich finden ein kleines in der Altstadt, nur fünf Gehminuten vom Platz der Gaukler entfernt. Und dort zieht es uns am Abend auch gleich hin. Vor dem Weiterflug am nächsten Tag besuchen wir auch hier die Souks, die sich noch viel stärker als in Fes auf den Tourismus eingestellt haben.

Unser nächstes Ziel heißt Ouarzazate. Dazu ist der Hohe Atlas nach Südosten zu überqueren. Am GPS wird gleich Ouarzazate eingestellt und dann fliegen wir los. Unsere Route sollte eigentlich über den Tizn Tikka Pass führen. Der ist jedoch ein ganzes Stück weiter nordöstlich. Wir haben die terrestrische Navigation zu sehr vernachlässig! Nachdem der Himmel wolkenlos ist, entscheiden wir uns zum Steigen auf FL 115 und nutzen dann die Scharten zwischen den 4000ern zur Überquerung. Der Ausblick auf die schneebedeckten Gipfel mit dem Wüstenhintergrund ist überwältigend.

Arabisches Bufett in Marrakech

Ouarzazate liegt auf 3800 ft und wird wie die meisten Flugplätze in Marokko zivil und militärisch genutzt. Als besonderen Service nehmen uns die Lotsen, die gerade Dienstschluss haben, mit in die nahe Stadt. Mit einem Leihwagen machen wir am Nachmittag einen Ausflug zur 30 km westlich liegenden Kasbah Ait-Benhaddou. Wie eine Filmkulisse baut sich die Kasbah an einem Hügel am Flüsschen Asif Mellah auf. Die restaurierten Gebäude werden teilweise von Berberfamilien bewohnt.

Einen ganzen Tag sind wir mit dem Leihwagen durch das Tal des Dades zu dessen Quellgebiet im Hohen Atlas unterwegs. Die Straße ist von Kasbahs geradezu gesäumt, die zum Teil auch noch bewohnt sind. In den Bergen wird das Tal wildromantisch eng. In der Dades Schlucht hat neben dem Fluss gerade noch die Straße Platz. Am nächsten Vormittag bilden sich schon früh Quellwolken. Das ist doch etwas ungewöhnlich für diese Gegend. Wir haben vor, nach Zagora, einer Oase etwa 130 km südöstlich von Ouarzazate zu fliegen. Im Abflug haben wir einen herrlichen Überblick über die Stadt. Wir steigen auf 6500 ft, weil schon der zu überfliegende Tizi-n-Tinififft-Pass 5500 ft hoch ist. Es ist ruppig. Zur Thermik kommen noch die Wirbel vom Wind, der über die Berge bläst.

Über der Oase drehen wir zwei Runden. Einmal, um sie uns anzusehen und zum anderen, weil damit der Abholdienst gerufen wird. Der Platz besteht nämlich nur aus einem 1000 m langen markierten Streifen rotbrauner Erde und einem Windsack. Ali (Ali der II.), Taxler und Fremdenführer, kommt aus der etwa 1,5 km entfernten Oase. Der erste Weg führt auch hier zur Polizei, wo der obligatorische "fiche" auszufüllen ist. Nach der Besichtigung der nahegelegenen Düne wollen wir weiter.

Unser Start in Zagora verläuft trotz Hitze und Platzhöhe dank "gutem" Wind ganz unspektakulär. Wir fliegen zurück nach Ouarzazate, um für den Weiterflug nach Al Hoceima nachzutanken

In der Oase Zagora

und Wetterinformationen einzuholen. Nur der Meteo-Fernschreiber will partout nichts ausspucken. Also greift der Controller zum Telefon und ruft seinen Kollegen in Fes an. Und der meint, das Wetter bis Al Hoceima sei in etwa so wie hier bei uns. Naja, dann können wir ja losfliegen.

Nach dem Start geht's zuerst nach Osten bis Er Rachidia. Die Sichten sind fantastisch. Es ist nur ziemlich bockig und die Cumuli türmen sich immer höher auf. Über Er Rachidia drehen wir auf Nordkurs und überfliegen den östlichen Teil des Hohen Atlas. Die Wolken werden immer dunkler, und als wir bei Midelt den Niederen Atlas erreichen, begrüßen uns die ersten kräftigen Regenschauer. Nicht immer kann man sie umfliegen, aber so mittendurch müssen wir auch nicht. Unsere Route geht östlich von Fes nach Norden. Die letzten 60 Meilen bis zur Küste werden jetzt doch noch turbulent. Auf unserem Strikefinder werden die angezeigten Entladungen immer dichter, und dann können wir die Blitze auch in natura bewundern. Der Maghreb hat zu unserem Abschied einen Sack voll lokaler Gewitter über die Gegend ausgeschüttet. Direkten Kurs halten ist natürlich nicht mehr sinnvoll. Durchmogeln ist die Devise.

Aus 15 Meilen Entfernung bekommen wir Funkkontakt zu Al Hoceima. Dort an der Küste ist keine Spur von einem Gewitter. Am nächsten Tag gibt es eine korrekte Wetterinformation aus dem Fernschreiber. Noch einmal wird mit billigem marokkanischen Sprit vollgetankt. Gleich darauf geht's zum Start mit Ziel Alicante. Der Flug verläuft problemlos, aber kurz vor unserem Ziel werden die Wolken immer bedrohlicher. Nach kurzem Tankstop und neuer Wetterberatung geben wir unser Vorhaben auf, nach Menorca zu fliegen. Es sind zu viele Gewitter über dem Meer zwischen dem Festland und den Balearen. Unser neues Ziel heißt Carcassonne in Frankreich. Nur die erste halbe Stunde nach dem Start machen uns lokale Gewitter noch zu schaffen. Über Gerona und Perpignan erreichen wir Carcassonne. Diese wunderschöne Stadt mit den mittelalterlichen Befestigungsanlagen ist allein schon einen Ausflug wert. Das Abendessen ist vorzüglich, aber es ist leider das letzte auf dieser Reise.

Am nächsten Vormittag fahren wir etwas wehmütig zum Flugplatz. Über Südfrankreich erstreckt sich eine lockere Quellbewölkung. Unsere Route führt nördlich an Lyon vorbei nach Dole, um ein letztes Mal zu tanken. Im Clublokal des dortigen Aero Clubs gibt's auch für uns noch einen Imbiss. Nun adieu Frankreich. Das Wetter ist auf diesem letzten Teil der Reise super. Vorbei an Basel und quer über den Schwarzwald fliegen wir nach Nürnberg. Am Ende dieser fliegerisch und touristisch sehr interessanten Reise stehen 30 Flugstunden in unseren Büchern.

Gerhard Obernosterer

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